Dem BEILEID Struktur geben: Logistik schafft Sicherheit bei Trauer und Trauma im Unternehmen

In einer grundsätzlich veränderten Lebenssituation entsteht meist ein großes Durcheinander in Strukturen, Abläufen und Mustern.

Haben Sie schon einmal gesehen, was passiert, wenn man in einem Ameisenhaufen herumstochert? Alle Ameisen laufen wie wild durcheinander, doch auf scheinbar unerklärliche Weise finden sie ganz schnell wieder eine neue Ordnung, obwohl ganz sicher einige Gänge zerstört oder versperrt sind.

In einer verstörenden Lebenssituation ist Ordnung und Organisation ein wohltuendes Mittel, um sowohl im Außen als auch im Inneren Ruhe zu bewahren, also sind die drei R: Rollen, Regeln, Routinen eine gute Möglichkeit, Stabilität zu bewahren und Ordnung (wieder) herzustellen. Das bedeutet, dass nicht nur für die private Situation sondern auch für das berufliche Dasein hinterfragt werden sollte, welche Rolle oder Funktion man vorher ausgefüllt hat und was sich daran durch das Ereignis verändert hat, beziehungsweise, was jetzt möglich ist. Welche bisher geltenden Regeln sollen beibehalten werden, was soll oder muss geändert werden? Wie ändern sich Abläufe? Was kann wie nacheinander organisiert werden? Wer braucht wann was?

Johannes hat durch den Tod seiner Frau als nun alleinerziehender Vater eine große Rollenveränderung in der Familie erlebt, umso mehr wünschte er sich, dass in seinem Job möglichst alles beim Alten blieb, denn noch mehr Veränderung wäre einfach nicht zu verkraften gewesen. Deshalb war es ihm auch besonders wichtig, mit seinen Kollegen auf der gleichen Ebene zusammenarbeiten zu können. Es war schon schwer genug für ihn zu akzeptieren, dass eine seiner zuverlässigsten Mitarbeiterinnen in den Mutterschutz ging und sich seine Arbeitszeiten aufgrund der Kinderbetreuungszeiten ändern mussten. Auch das neue Schlüsselkarten-System machte ihn ganz fuchsig! Kann nicht einfach mal irgendwo alles beim Alten bleiben? Hilfreich war für ihn, die meisten Veränderungen im Voraus gut planen zu können und auch zuverlässig feste Arbeitszeiten zu haben. Wenn sich schon die Stimmung täglich änderte, sollte wenigstens die Uhrzeit der täglichen Verrichtungen die gleiche bleiben!

Speziell dort, wo ein Mitarbeiter wie Stefan ganz plötzlich ausfällt, sind die drei R eine große Hilfe. Es sollte schnell eine Art Notfallplan erstellt werden, der auch berücksichtigt, wer unter dieser besonderen Belastung welche Aufgabe (Rolle) übernehmen kann. Einen Tag, nachdem das Unglück von Stefan bekannt wurde, hatte ich Kontakt zum Geschäftsführer. Kurzfristig trafen wir uns in seinem Büro. Anwesend waren er selbst, die Personalverantwortliche, die Teamleiterin und Christian als Freund und Kollege des Verstorbenen. Die Stimmung war sehr niedergeschlagen, die Gesichter grau und starr. Es wurden nur wenige Worte gewechselt Als wir ein bisschen ins Gespräch kamen und jeder davon erzählen konnte, wie er von Stefans Tod erfahren hatte, flossen ein paar Tränen und die Gesichter entspannten sich. Nun konnten wir tatkräftig überlegen, was für das Team und die Angehörigen zu tun war. Als erstes überlegten wir, welche Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Der Geschäftsführer war bereit, alle übergeordneten Teamleiter zu informieren und die weitere Kommunikation zu gestalten. Die Personalverantwortliche übernahm die Aufgabe, sich um alles Organisatorische, um Beerdigung und Kondolenz zu kümmern, Die Chefin von Stefan und Christian wollte ihre Abteilung informieren und Ansprechpartnerin für ihre Mitarbeiter sein. Christian, als nächster Freund im Team, war damit einverstanden, den Kontakt zur Familie zu halten und genauere Informationen zu bekommen, welche Wünsche und Notwendigkeiten bestanden. Darüber hinaus überlegten wir, wer noch informiert werden musste und welche Schritte zusätzlich eingeleitet werden sollten. Am Ende des Treffens waren alle erleichtert, etwas tun und eine Struktur in dem Chaos erkennen zu können.

Sowohl für die akute Phase nach einem belastenden Ereignis, als auch für den Wiedereinstieg ist eine gute Planung der Abläufe von großer Bedeutung. Direkt nach dem belastenden Ereignis sind der Informationsweg, der Inhalt und die Art der Benachrichtigung besonders wichtig. Die schlimmsten Nachrichten sollten schnell an die wichtigsten Entscheider und Beteiligten möglichst persönlich, niemals elektronisch überbracht werden. Je besser die Planungen und je geordneter die Struktur, desto stressfreier, entspannter und effektiver kann Hilfe gelingen.

Die belasteten Arbeitnehmer dürfen kontinuierlich Kontakt zur Arbeitsstelle haben und wissen, wer ihre Ansprechpartner sind. Wichtig ist, welche Änderungen sich in Abwesenheit ergeben haben und wie die Situation konkret am Tag des Wiedereinstiegs sein wird. Dazu gehören auch die Erwartungen und welche konkreten Absprachen es zur Arbeitszeitgestaltung, sowie zur Kommunikation mit Vorgesetzten, Kollegen und Mitarbeitern gibt. Hilfreich kann hier auch ein externer Coach sein.

  • Wer ist der erste Ansprechpartner, Koordinator?
  • Wer darf welche Informationen über das Geschehen haben?
  • Wie und in welchem Zeitraum wird das Arbeitspensum angepasst?
  • Welche Rückzugsmöglichkeiten und Schutzmöglichkeiten stehen dem Arbeitnehmer zur Verfügung?
  • Welche weiteren Maßnahmen wie Gesprächsangebote, Betriebliches Wiedereingliederungsmanagement, Vertrauensperson, Coaching, Externes Mitarbeiterunterstützungsprogramm (EAP (Employee assistance program), Rehabilitationsmaßnahmen können angeboten werden?
  • Adressen für außerbetriebliche Beratungsstellen, Coaches, Therapeuten bereithalten und aktualisieren

Entnommen aus meinem Buch: „Wenn Kollegen trauern“ (Kösel 2016)

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